Statement Guntram Schneider

Statement Guntram Schneider anlässlich der Pressekonferenz am 14.02.2008 im Landtag in Düsseldorf Vorstellung der Initative "Länger gemeinsam lernen"

Der DGB fordert einen grundlegenden Wechsel in der Bildungspolitik in NRW

Wir fordern seit langem einen Neuanfang, der die Defizite unseres Bildungswesens an seinen Wurzeln packt. Vieles ist geschehen, aber viel zu wenig hat sich geändert.
Der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg hat sich eher noch verschärft. Die jüngsten PISA Ergebnisse sind ein Alarmsignal und kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Man propagiert zwar den Fördergedanken, faktisch wurden die Auslesemechanismen eher noch verschärft.

Der DGB orientiert sich an den Leitbildern der Chancengleichheit und Leistungsorientierung. Beide Elemente sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind kein Widerspruch, sondern bedingen einander. Wir brauchen mehr Chancengleichheit, um alle vorhandenen Potentiale zu heben und wir brauchen eine Leistungsorientierung, um im internationalen Wettbewerb der Industrienationen bestehen zu können.

Es geht um ein originär gewerkschaftliches Interesse, weil die Qualität der Arbeit und die Entlohnung in einem Wechselverhältnis zum jeweiligen Bildungsniveau stehen.

Ein geringer Bildungsstand erhöht das Risiko der Ausbildungs- und Arbeitslosigkeit oder führt in prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

Eine geringere Kaufkraft und steigende staatliche Transferleistungen sind die Folgen einer verfehlten Bildungspolitik, die breite Bevölkerungsschichten vom Wohlstand abkoppeln. Besonders betroffen sind Migrantinnen und Migranten. Der Zusammenhang von Bildungsniveau und Wirtschaftswachstum ist offensichtlich, wie die OECD bestätigt hat. Das Niveau industrieller Produktion und hochwertige Dienstleistungen werden wir nur halten können, wenn wir das Bildungsniveau insgesamt anheben.
Eine Bildungspolitik, die nur Elitenbildung betreibt, befördert die soziale Aufspaltung der Gesellschaft und gefährdet den Wirtschaftsstandort NRW. Wenn es uns nicht gelingt, den Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft zu entkoppeln, werden wir wirtschaftlich nicht bestehen können.

Ein wesentlicher Hemmschuh, der zum Synonym für Bildungsarmut geworden ist, ist unser zergliedertes Schulwesen. Ihm liegt ein biologistischer Begabungsglaube zugrunde.
Die Gliederung eines Schulsystems von einer Verteilung von Intelligenz oder Begabungen in der Bevölkerung herzuleiten, entspricht vordemokratischen Denkweisen und ist wissenschaftlich nicht haltbar.

In nahezu allen europäischen Ländern lernen heute alle Kinder sechs oder mehr Jahre gemeinsam und die Hälfte der europäischen Länder hat inzwischen eine für alle gemeinsame Schule für die gesamte Dauer der Schulpflicht. Im internationalen Vergleich spielt das gegliederte Schulwesen ab Klasse 5 nur noch eine Außenseiterrolle.
Es ist kein Zufall, dass die Grundschulen als integrative Schulform im internationalen Vergleich bestehen können und die Probleme sich in der Sekundarstufe I verschärfen.
Deshalb fordert der DGB, dass die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der Klassen 9 bzw. 10 gemeinsam lernen.

Die Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in drei "Schubladen" kann nicht mit vorhandenen bzw. nicht vorhandenen Begabungen gerechtfertigt werden. Die Schulstruktur verstärkt ganz offensichtlich den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg bzw. Misserfolg.Individualisiertes Lernen ist mit dem Schubladendenken unvereinbar.
Dies hat uns in die zweite deutsche Bildungskatastrophe geführt.
Die Behauptung, dass eine Verbesserung der Lernergebnisse nur über die Optimierung des Unterrichts, zusätzliches Personal oder zentrale Lernstandserhebungen zu erreichen ist, verkennt die Wechselwirkung von Schulstruktur und pädagogischer Arbeit in der Schule. Individuelle Förderung in gemischten heterogenen Lerngruppen ist erfolgreicher, das zeigen uns zahlreiche internationale Beispiele.

Der DGB unterstützt deshalb die Initiative "Länger gemeinsam Lernen". Sie dient als Plattform von Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen aus Kirche, Wirtschaft und Gewerkschaften, die sich als offen und fair, nicht an Partei- und Verbandsinteressen orientiert, diskutieren, wie Schülerinnen und Schüler optimal gefördert, Bildungsbarrieren abgebaut und Schulen zu modernen Lernorten weiterentwickelt werden können.

Der DGB plädiert für eine Schulstrukturdebatte, die sich in einem breiten gesellschaftlichen Umfeld vollzieht. Eine Art Kulturkampf um die integrative Beschulung aller Kinder ist zu vermeiden. Mittlerweile gibt es bundesweit eine breite Debatte um die richtige Schulstruktur. Das Tabu um diese Diskussion ist längst aufgebrochen. Es ist nicht die Frage, ob auch in NRW ein längeres gemeinsames Lernen ermöglicht wird, sondern, wann dies geschieht.

In diese Debatte wollen wir uns einbringen. Die Bandbreite der Erstunterzeichner spiegelt einen Trend wider, der symptomatisch für die Entwicklung der letzten zwei Jahre ist.
Es gibt mittlerweile ähnliche Initiativen, die sich für ein zweigeliedertes Schulwesen aussprechen.
Wir wollen eine integrative Schule, die Gemeinschaft stiftet und kein Kind ausgrenzt. Um es klar zu sagen: Damit spreche ich mich auch dafür aus, die Schülerinnen und Schüler die heute die Förderschulen besuchen, nicht außen vor zu lassen, sondern mit einzubeziehen.

Die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudien haben den Weg geebnet und die demographische Entwicklung zwingt immer mehr Kommunen neue Konzepte zu entwickeln. Breite gesellschaftliche Gruppen haben erkannt, dass es ein Irrweg ist, das System der Auslese und des Abschulens nur ein wenig zu optimieren. Das Prinzip führt faktisch zu einer Spirale aus Leistungsabsenkung und Demotivation. Außerdem stimmen immer mehr Eltern mit den Füßen ab. Das gegliederte Schulwesen erodiert von unten.

Die Hauptschule ist kaum noch zu retten. Immer mehr erkennen, dass die Einteilung in Schulformen zu einer Stigmatisierung von Anfang an führen kann. Außerdem sagt die jeweilige Schulform über die Qualität der einzelnen Schule vor Ort immer weniger aus.

Die Schulstruktur ist für die Mehrzahl der Deutschen kein Tabuthema mehr, so das Ergebnis einer Studie des Instituts für Schulentwicklung (IFS). Demnach wollen 44 Prozent der Bundesbürger, dass alle Kinder auch nach der Grundschule weiter gemeinsam unterrichtet werden. 22 Prozent stimmen dieser Aussage teilweise zu. Der Vergleich mit Daten älterer IFS-Untersuchungen zeigt, dass die Zustimmungsraten für ein längeres gemeinsames Lernen aller Schüler nach PISA deutlich gestiegen sind.

Wir fordern alle Interessenten auf, durch Unterschrift ihre Unterstützung für diese Kampagne öffentlich zu dokumentieren. In den kommenden Monaten werden wir im Rahmen von Veranstaltungen auf unser Anliegen aufmerksam machen. Außerdem wollen wir bestehende regionale Initiativen unterstützen.

Denn auch der DGB ist der Überzeugung, dass eine solche Schule Perspektiven schafft und auf Beruf und Alltag vorbereitet.


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